Die Vogelstange
41 Jahre fand das Vogelschießen auf der Baltes Wiese, am Fußweg nach Attendorn statt. 41 Könige und 2 Kaiser kamen hier zu Amt und Würden. Freud und Leid lagen häufig sehr eng beieinander und es
gab auch so manchen Überraschungskönig.
In den 41 Jahren wurde die Vogelstange - ein umgebauter AZO-Baukran - mehrmals renoviert um den immer strenger werdenden Auflagen durch die Kreispolizeibehörde gerecht zu werden. Aber auch sonst
nagte der Zahn der Zeit an der Vogelstange und so mussten immer wieder Instandsetzungsarbeiten durchgeführt werden. Eine von der Schützenbruderschaft angestrebte langfristige Anpachtung des
Geländes erwies sich als nicht realisierbar. Daraufhin wurde kurzerhand der Beschluss gefasst, an einem anderen Ort eine komplett neue Vogelstange zu errichten.
Nach Besichtigung verschiedener Standorte und ausgiebiger Diskussionen wurde „Rüenauvers Wiese" oberhalb der Schmittenwiese favorisiert. Mit dem Eigentümer Bernhard Rüenauver und dem Pächter Josef Pulte wurde Einvernehmen über einen 30 Jahre laufenden Pachtvertrag erzielt. Somit stand dem Bau einer neuen Vogelstange nicht mehr im Weg, denn auch die Kreispolizeibehörde hatte nach einer Ortsbesichtigung und Festlegung der Schussrichtung grünes Licht gegeben. Die für das Vogelschießen verantwortlichen Schießmeister und Vorstandsmitglieder Werner Rinscheid und Ulrich Keine erklärten sich bereit, für den Bau einer Vogelstange zu sorgen.
Auf Vorschlag von Hermann-Josef Gabriel (Hellers Hermken) wurde die Vogelstange in Reiste durch die Vorstandsmitglieder Hermann-Josef Gabriel, Georg und Ulrich Keine, sowie Werner Rinscheid
besichtigt. Reister Vorstandsmitglieder gaben Erklärungen zu Konstruktion und Kosten der Vierkant-Mastanlage. Als sich Werner Rinscheid bereit erklärte, die Anlage nach „Reister" Modell in
Eigenleistung zu bauen, entschied sich der Vorstand zu dieser Lösung.
Ulrich Keine und Werner Rinscheid begannen unverzüglich mit der Planung und Ausführung. Denn schon 1992 sollte das Vogelschießen an der neuen Vogelstange durchgeführt werden und man schrieb
bereits den Monat März. Während sich Werner Rinscheid um den technischen Teil kümmerte, sorgte Ulrich Keine für den organisatorischen Ablauf und das Genehmigungsverfahren. Nachdem das ganze
Prozedere der Genehmigung positiv abgewickelt werden konnte, wurde mit dem Aushub des Fundaments begonnen. Die Firma Arens und vom Orde stellte den Bagger zur Verfügung und Thomas vom Orde war es
selbst, der den Aushub vornahm. Zügig konnte das ca. 2 x 2 x 1,8 m große Fundament ausgehoben werden, als wirklich beim letzten Eintauchen des Löffels, in 1,8 m Tiefe, plötzlich Wasser sprudelte.
Alle Anwesenden standen vor einem Rätsel.
Welche Wasserleitung hatte man hier angezapft?
Wo konnte sie abgedreht werden?
Wen versorgt diese Leitung noch mit Wasser?
Nachdem man sich von dem Schock erholt hatte, kam die Erleuchtung. Es handelt sich hier um die alte Heldener Wasserleitung, die Ende des letzten Jahrhunderts gebaut wurde und dem in unmittelbarer Nähe verlaufenden Weg die Bezeichnung Wasserstraße gab. Das Wasser wird heute allerdings nur noch landwirtschaftlich genutzt, u.a. auf dem Hof von Josef Mertens. Die Leitung musste schnellstens repariert werden, sollte man nicht Gefahr laufen, dass hunderte von Rindern und Schweinen verdursteten.
Damit waren alle Vorbereitungen abgeschlossen und der Montage am neuen Platz, oberhalb der Schmittenwiese, stand nichts mehr im Wege. Am 7. Juli 1992 war es endlich soweit. Viele Helfer und interessierte Schützenbrüder hatten sich eingefunden, um dem Schauspiel beizuwohnen. Zum Aufrichten des 13 Meter langen Masten wurde der Kranwagen vom Sägewerk Köster eingesetzt. Zentimeter für Zentimeter wurde der Mast angehoben, bis es kurz vor dem Erreichen der Endstellung noch einmal spannend wurde. Passt der Sockel der Stange in die Halterung des Fundaments? Es war Millimeterarbeit geleistet worden. Ohne Probleme konnten Stange und Fundament miteinander vereinigt und verschraubt werden. Alle weiteren Arbeiten, wie die Montage des Geschoßfangkastens, waren nun nur noch „Kleinigkeiten". Natürlich wurde anschließend an Ort und Stelle kräftig Richtfest gefeiert, bevor man zu später Stunde noch bei Platten landete.
Eine Überprüfung durch den von der Kreispolizeibehörde beauftragten TÜV-Sachverständigen am darauf folgenden Tag, war dann nur noch reine Formsache.
Somit konnte die Vogelstange am Schützenfestmontag, den 20. Juli 1992 eingeweiht werden. Robert Koch aus Mecklinghausen war es, der als erster König an der neuen Vogelstange durch den 1.
Brudermeister Josef Platte proklamiert werden konnte.
Der Grundstückseigentümer Bernhard Rüenauver bot der Schützenbruderschaft den Kauf des Grundstücks im Jahre 2017 an. Gerne wurde das Angebot angenommen. Zu bemerken ist, dass die Kosten für das Vermessen - € 1.600 - genau doppelt so hoch waren, wie der eigentliche Grundstückskauf.